Aug
01
Einsortiert unter (Allgemein) von traduction.allemand am 01.08.2007

Ratzdorf ist ein Ort mit ungefähr 300 Einwohnern. Hier machen wir, Vivien und ich, Halt. Nachdem wir an einigen Türen geklingelt haben, werden wir bei der Familie Schulze empfangen. Man hat uns gesagt, Katrin Schulze kenne die Geschichte des Dorfes sehr gut. Und es stimmt, die ganze Familie kann uns Geschichten des Dorfes erzählen. Vier Generationen unter einem Dach und ein beispielhafter Zusammenhalt: beeindruckend und verführerisch.

Wir verbringen den Abend mit der Dorfjugend, die Katrin für uns zusammengetrommelt hat. Wir sprechen über die Angelei, die nützliche Fahrerlaubnis, um das Dorf zu verlassen, über die Entscheidung zwischen Wehr- und Zivildienst nach dem Abitur, über Schulen, die zumeist nur Russisch als Fremdsprache anbieten und nicht Polnisch, und wieder über das Angeln. Wenn Polen im Schengener Abkommen sein wird, können die Jugendlichen mit ihrem Boot an der anderen Seite des Flusses anlegen. Zum Angeln bedarf es jedoch eines Angelscheins, sowohl auf der deutschen als auch auf der polnischen Seite. Es gibt noch keine gemeinsame deutsch-polnische Anglervereinigung, aber vielleicht werden das die Jugendlichen in Angriff nehmen?!



Aug
01
Einsortiert unter (Allgemein) von traduction.allemand am 01.08.2007

Die Sonne wirft ihre Strahlen übers Land, langsam verschwindet sie am Horizont und der Wind flaut ab: Der Beginn eines idealen Abends, um die Einmündung der Neiße in die größere Oder zu entdecken. Eine unvergessliche Landschaft.

Hier und da einige Angler. Über den Fluss hinweg kann man ein Gespräch miteinander anfangen. Wie läuft’s? Ja gut, wenn ich es schaffe Sie zu fangen… Kleiner Scherz. Und trotzdem muss ich einen Augenblick über diesen seltsamen Moment nachdenken… „Sagen Sie, mein Herr, sind Sie in Polen?“ Und tatsächlich, die andere Seite ist Polen. Nur einige Schwimmzüge entfernt. Eine alberne Grenze.

Aber eine echte. Wenn Sie nach Ratzdorf kommen, wird man Ihnen die Geschichte von dem deutschen Touristen erzählen, der nach einem Bad in der Neiße am gegenüberliegendem Ufer, in Polen, pausieren wollte. Ein Fuß auf die polnische Seite und schwupp, wurde der Mann von der Polizei, die plötzlich aus dem Gebüsch kam, abgeführt! Zwei Tage Gefängnis und noch eine Geldstrafe. Das sind bleibende Erinnerungen an den Urlaub … und an eine nicht mehr ernst zu nehmende Grenze?



Jul
31
Einsortiert unter (Allgemein) von traduction.allemand am 31.07.2007

Mit 75 Jahren hat Irmgard Schneider weißes Haar, aber das ist auch schon alles! Voller Tatendrang und Energie erklärt mir diese kleine Dame die Aktivitäten ihres Vereins „Pro Guben“ in vollem Umfang. Eine wahre Sammlung guter Ideen und Pläne!

Es begann alles 1994 bei einem Treffen mit einem Engländer, der hierher kam, um gegen den Abriss Hornos durch die Kohlemine bei Jänschwalde zu demonstrieren (wir haben davon gehört!). Auf einmal stellte sich auch Frau Schneider wieder die Frage, ob die Wüsten, die sich von Cottbus bis zur Grenze ziehen, denn wirklich nötig seien: „Nun, nachdem die Wiedervereinigung statt gefunden hat, können wir uns doch auf andere Energiequellen als die Kohle konzentrieren.“ Für die Präsidentin des Vereins Pro Guben e.V. handelt es sich sogar um eine Pflicht der Region: „ Es gibt nicht mehr so viel Industrie wie zuvor, die Gegend muss ihre Infrastruktur erneuern. Und wofür braucht man die Bewohner? Zum Essen, zum Trinken und zum Nutzen der elektrischen Energie.“

Seitdem gibt es den Verein. Seitdem wurden viele verschiedene Aktivitäten von Frau Schneider in Angriff genommen. Ein einfaches Beispiel: das mit den Äpfeln von Guben. Warum sollten sie auf dem Komposthaufen verrotten, wenn doch die Leute ihre Einkaufswagen in den Supermärkten wieder mit Apfelsaft vollpacken? Verschwendung. Es wurde ein ganzes System ins Leben gerufen, indem man alle Bauern, Gärtner und anderen Besitzer von Apfelbäumen aufrief, ihre Äpfel zu einer Sammelstelle zu bringen. Von dort aus wurden die Früchte zum Entsaften gefahren und jeder konnte für wenig Geld den daraus gewonnenen Apfelsaft kaufen. Durch den gemeinsamen Transport wird auch der CO2-Ausstoß reduziert. Aber für Frau Schneider ist das noch nicht alles. Warum kann man daraus nicht noch mehr Nutzen ziehen, indem man sämtliche Sorten der Region auflistet und die Vielfalt der Sorten von damals und heute vergleicht?

2003 wurde ein Verzeichnis erstellt. Mehr als 400 verschiedene Sorten werden darin derzeit aufgeführt, darunter die berühmte Warraschker aus Guben. In dieser Gelegenheit sah man Anlass genug, die Pomologische Gesellschaft, die bereits vor 200 Jahren existierte, wieder ins Leben zu rufen. „Und für das Apfelfest und das Stadtfest haben wir traditionelle Kostüme vorbereitet. Das ist der Teil unserer Aktivitäten, der uns erlaubt, ein wenig die Lasten des Alltags zu vergessen.“
Über die Herstellung der Kostüme kamen wir auf die Zusammenarbeit des Vereins Pro Guben e.V. mit Gubin zu sprechen. „Wir kennen vierzig Frauen aus Gubin, sie begleiten uns regelmäßig auf unseren Ausflügen und singen fabelhafte polnische Lieder, die Leute haben ihre Meinung geändert!“ Dabei zeigt sie mir die Bilder von einem Ausflug nach Berlin ins Britz-Viertel. Alle Frauen haben sich die Kostüme der verschiedenen Epochen angezogen: aus der Zeit der Apfelblüte von 1787, von 1846, als die erste Bahnverbindung zwischen Guben und Berlin fertig gestellt wurde, von 1850 die Hutmacherei und so weiter. „Wir waren richtige Stars, jeder hat uns fotografiert!“, sagt Frau Schneider lachend.

Die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Polen, zwischen den Bewohnern Gubens und Gubins liegt ihr am Herzen. „Als uns die Polen sagten, sie wüssten gerne mehr über die Geschichte ihrer Stadt, haben wir die Übersetzungen für ihr kleines Museum organisiert“ , erzählt mir Frau Schneider weiter, indem sie mir eine Tafel über das Leben von Hugo Jentsch zeigt, einer lokalen Persönlichkeit, die das Museum, das heute auf der anderen Seite liegt, eröffnet hat.
Dass die Arbeit mit den Polen und den erneuerbaren Energien, die beiden Steckenpferde von Frau Schneider sind, das versteht man schnell. Fasziniert höre ich der Siebzigjährigen zu, wie sie von neuer Technik in der Landwirtschaft und der Gewinnung von Elektrizität, im Zusammenhang mit dem Naturschutz, spricht. „Wir legen zum Beispiel einen Schwerpunkt auf die Verbrennung von Biomasse aus Preschen“, sagt mir Frau Schneider. „Und wir erklären den Bauern, dass sie weder Arbeit noch Geld verlieren, wenn sie Pflanzen zum Verbrennen aussäen.“ Aber die Resonanz in der Gegend bleibt noch immer schwach. Viele haben Angst, dass sie ihre Arbeit verlieren, wenn die Kohlemine aufhört zu graben.

Aber Frau Schneider fehlt es nicht an Energie: Immer mittwochs von 9 bis 12 kann jeder nach Guben in die Gasstraße 8 kommen und seine Fragen, Ideen und Anregungen vorbringen. Warum auch nicht der ultradynamischen Frau, die sich bei der Bundesliga für Solarenergie angemeldet hat und jetzt beim Europagarten für Kultur aus der Region 2013 mitmachen möchte, eine Hand reichen? 10 Jahre nach der Überschwemmung hat Frau Schneider keine Zeit, mir mehr davon zu erzählen, aber sie wird höchstwahrscheinlich am 11. August in Frankfurt/Oder – Słubice unter uns sein und uns „ihre kleinen Geschichten“, wie sie sagt, erzählen. Vielleicht haben Sie auf Ihrer Reise die Möglichkeit, dieses Energiebündel zu treffen?



Jul
30
Einsortiert unter (Allgemein) von traduction.allemand am 30.07.2007

Auf die Empfehlung von Frau Geilich, der Verantwortlichen im Gubener Touristenbüro, erlaubte ich mir, bei Andreas Peter zu klingeln.

Und siehe da, welch’ eine Überraschung: Als ich ihm die Geschichte vom Veloblog und dem Treffen mit den Bewohnern, um die Region kennen zu lernen, erzähle, schien er nicht mehr nach einem Wie und Warum fragen zu wollen und öffnete seine Tür. Er muss zwar noch einige Bücher, die er bei Ebay verkaufen will und die noch aus Zeiten der DDR stammen, sortieren. Aber nachdem er mir einen Kaffee angeboten hat, führt er mich durch die Straßen Gubins.

Gubin ist der polnische Teil der Doppelstadt. Dort befand sich früher das Stadtzentrum. Vor dem Krieg und der Grenze. Das alles ist eine lange Geschichte, die mir Andreas ausführlichst erzählt.

Alles beginnt ganz unvermeidlich bei der Stadt- und Hauptkirche. Sie prägt das Stadtbild und liegt direkt hinter dem Grenzübergang für Fußgänger. Eine polnische Stiftung und ein deutscher Unterstützerverein arbeiten zusammen, um das Bauwerk zu restaurieren. „Es ist nicht immer einfach, die Deutschen für die Kirche zu interessieren”, erklärt mir Andreas. „Viele denken, dass sie auf der anderen Seite liegt und sich deshalb die Polen darum kümmern müssen.“ Aber das ist kein Grund aufzugeben: vor kurzem hat mein Gastgeber ein Buch über das Bauwerk geschrieben. Auf deutsch. Die polnische Version ist in Arbeit. “Als die Russen kamen, haben die Deutschen kompromittierende Papiere in der Kirche verbrannt. Das war im April 1945. Das Dach ist dabei verschwunden und die Fenster sind geschmolzen.” Heute gewinnt der Dom ganz langsam wieder an Form (1, 2). Aber die Kosten sind hoch.

Andreas zeigt mir die Reste der Stadtbefestigungen: ein großer Turm aus dem 15. Jahrhundert, aber auch ein Tor und ein Stück Mauer. Letztere wurden vor etwa 150 Jahren neu gebaut. Aber dadurch, dass die Nachbarhäuser verschwunden sind, bekommen sie den Anschein eines gewissen Alters. Denn selbst wenn man die Spuren früherer Zeiten noch erkennen kann, wie zum Beispiel an den breiten Straßen, die dort verlaufen, wo einst der Stadtgraben war, so ist die Stadt selbst doch zu 80% verschwunden, zerstört im Zweiten Weltkrieg.

Die darauf folgenden Teilung war abrupt. „Es war der 20. Juni 1945, noch vor dem Potsdamer Vertrag“, erzählt mir Andreas. „Die Soldaten haben den Deutschen gesagt, sie sollten ihre sieben Sachen packen und auf die andere Seite der Neiße verschwinden. Manchmal haben sie ihnen auch die wertvolleren Dinge aus den Händen gerissen.” Und dann zeigt er mir die Reste der Holzbrücke, die einst die Neißeüberquerung ermöglichte.

Man findet Geschichte an jeder Straßenecke. Hier die Reste eines Ehrendenkmals Kaiser Wilhelms I. Dort ein Denkmal, das an den Standort der Synagoge erinnert, die 1938 verschwunden ist, hervorgegangen aus einer Kooperation der deutschen und polnischen Gemeinden und der Initiative von Andreas (1998). Und überall verstreut die Spuren von Industrieanlagen, die lange Zeit die Stadt beherrschten, besonders Hutmachereien und Tuchfabriken. Andreas erzählt mir die Geschichte Friedrich Wilkes, der mit seiner Erfindung, wie ein Hut bei Regen nicht in sich zusammensinkt, sehr erfolgreich war - und macht einen flachen Hut nach. Das Werk von Friedrich Wilke, um 1860 erbaut, war zu DDR-Zeiten noch in Betrieb, hat jedoch wie so vieles die Wiedervereinigung nicht überstanden. „Es gibt ca. 20% Arbeitslosigkeit in der Gegend, da sind aber die Menschen, die auf der Suche nach Arbeit die Region verlassen haben, noch nicht mit gezählt“, sagt Andreas.

Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete ein Großteil der Bevölkerung in der Kunstfaserfabrik. Um die 7200 Leute arbeiteten dort 1989, lerne ich in der 85. Frage des kleinen Stadtquiz von Andreas. Ein Abkommen zwischen Guben und Gubin machte es möglich, dass die polnischen Bürger mit dem Bus zum Arbeiten herüber kommen konnten. Das war eine Geste von Wilhelm Pieck, dem ersten Präsidenten der DDR, an die Bewohner von Gubin, wo man noch heute die komplett grüne Fassade seines Hauses, nicht weit von einer verlassenen Polizeistation, bewundern kann.

Mein Stadtführer ist unschlagbar. Andreas ist ein leidenschaftlicher Stadthistoriker und Kenner der Region. Er schreibt Bücher, veröffentlicht Karten von der Umgebung und stellt sogar Kalender mit alten Stadtansichten her. Der ausgebildete Historiker hat sogar seinen eigenen Verlag gegründet, den Niederlausitzer Verlag.

Das erzählt er mir beim Abendbrot, bei einem Glas Wein. Wir sitzen am Ufer der Neiße, mit Gartenmöbeln und Picknickkorb von Andreas. Der Zauber der Einfachheit und ein großartiges Panorama. Auf der anderen Seite versuchen junge Polen zu angeln. Links die Schützeninsel. Sie liegt auf der polnischen Seite, eine neue Brücke soll sie bald mit der deutschen Seite verbinden.

Ein kleiner Schritt, um Guben-Gubin als eine Einheit zu zeigen?



Jul
30
Einsortiert unter (Allgemein) von traduction.allemand am 30.07.2007

Klimawechsel hin oder her, ich muss Euch sagen, es ist Ende Juli und es schüttet aus Kübeln hier in der Gegend der Kohlegruben!

Einwohner lassen sich kaum blicken und die Sehnsucht, ins Warme zu kommen, steigt. Meine Ansprechpartner empfehlen mir das ehemalige Waisenhaus in Grießen. Hier soll es deutsch-polnische Projekte oder irgendwie so was geben.

Die Details erhalte ich vom örtlichen Verantwortlichen am nächsten Tag. Beim Frühstück. Das Waisenhaus wurde im Juni 2001 geschlossen. Es war zu teuer für diesen Bezirk, zwei Waisenhäuser zu unterhalten. Nun sind die Kinder in Spremberg.” Und seit einem Jahr wird dieser Ort wieder genutzt, von dem Verein Haus der Familie e.V., die ihren Sitz etwas weiter nördlich in Guben hat.
„Wir haben 24 Zimmer, einen Festsaal, eine eingerichtete Küche und Bungalows für die Familien“, sagt mir Hans Kremers. Und es stimmt, der Ort ist sehr nett, so versteckt im Grünen. Hans Kremers, der über sechzig ist, hofft, dass das Projekt die Aufmerksamkeit von Schulen und Fahrradtouristen, die die Neiße hinauffahren, auf sich zieht. Ein direkter Weg von den Fahrradpisten zum Familienzentrum ist schon geplant. Aber man warte noch auf Subventionen, und der Boden muss noch auf Bomben untersucht werden, die noch aus der Zeit stammen, als die Russen hier waren.

Und die berühmten deutsch-polnischen Projekte? „Das ist noch im Aufbau“, erklärt mir Hans Kremers. Man hat schon Kontakt zu den Deutschen aufgenommen, die Fahrradtouren in Polen organisieren …. Für eine Hand voll Euro. Ob er selbst einige Polen kenne? Nicht wirklich, er kam 1991 aus Düsseldorf hierher. „Natürlich werde ich viel mit der anderen Seite machen, aber deswegen die Mühe auf mich nehmen, die Sprache zu lernen…“ Aber vielleicht ändert sich das ja mit dem Schengener Abkommen.
Vielleicht….



Jul
29
Einsortiert unter (Allgemein) von traduction.allemand am 29.07.2007

Es fällt mir schwer, Euch die Geschichte von Horno zu erzählen, denn ich habe das Dorf nie gesehen. Jedenfalls nicht das echte, nur das Neue. Und das alte habe ich umsonst gesucht und nicht gefunden. Dabei höre ich ständig davon.

Horno wurde aus der Karte gestrichen, aus dem Internet gestrichen. www.horno.de gibt es nicht mehr. Das kleine Dorf von etwa 350 Einwohnern hat sich endgültig vom klaffenden Loch des Kohletagebaus von Jänschwalde, nordwestlich von Forst, verschlingen lassen. Im Juni 2004. Seit Jahren hatten sich die Bewohner gewehrt, erklärt man mir im Nachbardorf Grießen. Um genau zu sein seit 1977. Sie haben alles versucht: Sie kämpften für die recht große Gemeinschaft der Sorben in der Gemeinde, um die 500 Jahre alte Kirche und ums Prinzip. Aber das Unternehmen Lausitzer Braunkohle AG (LAUBAG) hat schließlich gegen jeden Einzelnen gewonnen. Sogar gegen das Ehepaar Herr und Frau Domain, die bis zum letzten Moment Eigentümer ihres Hauses, des Dorfcafés, blieben, mitten in Staub, Krach und der Minenwüste. Es ist keine Geschichte wie jede andere, und dennoch ist es nicht das erste Mal, dass man mir so etwas in dieser Region erzählt.

Die Einen fragen nach dem Sinn dieser Grube, die sich von Cottbus bis zur Grenze erstreckt und alles auffrisst, was sich ihr in den Weg stellt. Die Anderen sehen darin vor allem Arbeitsplätze. Aber niemand fragt sich wirklich, ob das wirtschaftlich tragbar ist.

Eine seltsame Stimmung. Vor allem, wenn man weiß, dass die Unterhaltung in Grießen, einem Dorf am Rande der Grube, stattfindet. Ein Dorf gewissermaßen auf der Warteliste. Auch wenn die Leute an der Bar der Pumpstation mir das Gegenteil weismachen wollen. Sie fügen hinzu, dass man hier schon seit den 90er Jahren keine Bauerlaubnis mehr bekommt. Wie zuvor in Horno. Und das mit dem Lärm, dem Staub und dem Loch, naja, es gibt jetzt nur noch rund hundert Einwohner. Gruselig.

Genauso gruselig ist übrigens der Umweg über die Kohlenminen auf der Suche nach dem verschwundenen Dorf. Abrupt endende Straßen (1, 2), veraltete Hinweisschilder und ein Loch, ein riesiges, schwarzes Loch (1, 2). Wie im Süden von Weißwasser. Wie im Norden von Bogatynia.

„Wollen Sie Horno sehen? Da kommen Sie aber gut zwei Jahre zu spät! Hier gibt es nichts mehr“, sagt mir der Dienst habende Wachmann der Grube. „Jetzt sind sie alle in Neu Horno, einem Vorort von Forst.“ Zwanzig Kilometer weiter. Ein komplett von der Firma gebautes Dorf für die „Umsiedler aus Horno“. Perfekte kleine Häuser, aber ohne Seele. Fotografiert unter einem Regenbogen. Die perfekte Postkarte Und trotzdem, die alten Leute sterben hier wie die Fliegen… für eine sinnvolle Energiepolitik?



Jul
28
Einsortiert unter (Allgemein) von Charlotte am 28.07.2007

Der Traum vieler Menschen… und wieder einmal ein wirklicher Glückstreffer, diesmal allerdings am Ende eines langen Weges!

In Forst, einer kleinen Stadt mit rund 22 000 Einwohnern, schaut man mich seltsam an, als ich vom Veloblog und meinem Interesse für deutsch-polnische Projekte erzähle und frage, wo ich eventuell die Nacht umsonst verbringen könnte. Nach zwei Stunden komischer Gesichter versuche ich es bei einer letzten Adresse. „Links hinter dem Freibad finden Sie ein Jugendzentrum. Dort machen sie auch Projekte mit den Polen“, sagt man mir.

Im Lichtschein meiner Fahrradlampe erreichte ich also das „Kinder- und Jugenddorf“. Etwas ungeschickt vielleicht stellte ich mich den Leuten, die um ein Lagerfeuer herum saßen, vor… Und so hat das Team der Rettungsschwimmer von Forst mich aus meiner Not gerettet! Ganz einfach. Man hat mir sogar zu essen und zu trinken angeboten, um mich wieder aufzupäppeln. Mit dem berühmten Lied von Rainald Grebe, welches von der Stimmung der Umgebung handelt, wurde ich in Brandenburg willkommen geheißen. Was für eine Ironie. Denn am nächsten Tag will mir das freundliche Rettungsschwimmerteam die Stadt Forst in einem ganz anderen Licht zeigen!

Nun, da der Schwimmkurs für die jungen Deutschen aus Forst und die jungen Polen aus Lubsko , der Partnerstadt, zu Ende ist, haben sie dafür genug Zeit. Für zwei gemeinsame Wochen trafen sich etwa zwanzig junge Menschen, um die 10 Jahre alt und aus beiden Ländern, im Freizeitzentrum. Am Vormittag gibt es Schwimmunterricht, vor allem für die Polen, die im Allgemeinen noch nicht schwimmen konnten, am Nachmittag dann gemeinsame Unternehmungen. Ein schönes Projekt, das alle Augen leuchten lässt.

Einziger Wermutstropfen: Diese Art von Erlebnis ist noch zu selten. Dabei ist doch alles vorhanden: Es gibt Übernachtungs- und Versorgungsmöglichkeiten für die Kinder und ein riesiges Gelände, um bei Bedarf Zelte aufzustellen. Aber die Stadt Forst, Eigentümer des Grundstückes, wartet weiter auf Projekte. Die Bademeister übrigens auch. Also schicken Sie schnell Ihre Buchungen an:

Kinder- und Jugenddorf Forst
Paul- Högelheimer Straße 3
03149 Forst
(Telefon: 0356299410)

Oder machen Sie einen Umweg zum Freizeitzentrum: Wenn Sie die freundlichen Leute dort treffen, ist es unmöglich, ohne ein Lächeln auf den Lippen weiter zu fahren.

Sie entdecken sicherlich auch das prächtige Freibad von Forst. Es wurde in den 50er Jahren als Trainingsort für die Leistungssportler der DDR gebaut und 2003 renoviert. Zwischen Mai und September sind die Schwimmbecken, der Whirlpool und das Sprungbecken mit 10m-Turm geöffnet.

Und wenn der Regen nicht ganz so hartnäckig ist wie auf meiner Reise haben Sie vielleicht Gelegenheit, in den Rosengarten nicht weit von der Neiße zu gehen. Kurz gesagt, trauen Sie dem äußeren Schein nicht, sondern suchen Sie lieber die “Kinderinsel” in Forst!

Vielen dank nochmal an “Studio 80” für die Fotos!



Jul
27
Einsortiert unter (Allgemein) von Charlotte am 27.07.2007

Obwohl ich nicht zu den vielen Fahrradtouristen gehöre, die tapfer die deutschen Fahrradwege entlang der Neiße und dann der Oder hinaufradeln, und das bis zur Ostsee, erlaube ich mir trotz allem, mich zum Sprachrohr für viele Menschen, die ich unterwegs getroffen habe, zu machen: Es sollen die schönsten Strecken Deutschlands sein, sowohl hinsichtlich der Vielfalt der Landschaften als auch der Qualität der Wege selbst.

Es stimmt schon, die Abschnitte auf dem berühmten „Oder-Neiße-Radweg“, wie er offiziell genannt wird, haben mich wirklich bezaubert. Auch heute wieder waren die Kilometer zwischen Groß Bademeusel und Forst eine Freude (1, 2). Mit einem Jägerhochstand im Vorüberfahren, um schnell mal zu bloggen.

Aber dennoch kann ich mir ein wenig Enttäuschung nicht verwehren: Warum sollten die beiden Grenzregionen nicht zusammenarbeiten, um eine deutsch-polnische Fahrradstrecke zu errichten, soll heißen, teils in Deutschland, teils in Polen? Das wäre wirklich Europa!
Und der europäische Sozialfonds wäre sicher auch dabei, um diese Initiative zu unterstützen…



Jul
27
Einsortiert unter (Allgemein) von Charlotte am 27.07.2007

Einige werden die Geschichte von Groß Bademeusel bereits aus der Lausitzer Rundschau kennen: Der Veloblog und meine Ankunft in Groß Bademeusel sind dort auf einer ganzen Seite präsentiert… die Berühmtheit am Ende des Weges.

Als ich Roswitha über den Gartenzaun hinweg fragte, ob sie vielleicht jemanden kenne, bei dem ich die Nacht verbringen könnte, hat sich die Tür sanft geöffnet - ich war fündig geworden.

In Groß Bademeusel (einem 250-Seelen-Dorf) kennt man sich offenbar. Während man mir erzählt, dass die jungen Frauen des Dorfes gerade dabei seien, Faustball zu spielen, zeigt mir der Nachbar Claudius die Schmiede seiner Eltern.
Ambosse und Hämmer, einer schwerer als der andere: Es öffnet sich ein Bild aus einer anderen Zeit. Heute ist die Schmiede nicht mehr in Betrieb. Claudius weiß nicht, was er nun damit machen soll. Warum nicht ein Museum für die Fahrradfahrer, die ein paar hundert Meter weiter die Neiße entlang fahren?

Wir, also meine Gastgeberinnen Roswitha und Liana und ich, haben den ganzen Abend bei einem Glas Kirschwein (aus eigener Herstellung) über die Region gesprochen. Die lokalen Sehenswürdigkeiten kamen dabei selbstverständlich zur Sprache, so zum Beispiel die Sprengstofffabrik, die sich heute auf der anderen Seite der Grenze befindet. Mit ihren einziehbaren Wegen und den Bunkern war sie gut vor dem Feind geschützt und bis 1945 in Benutzung. Heute kann man diesen Ort mit Führer besuchen.

Ansonsten haben wir über alte Zeiten geredet. Roswitha ist heute Großmutter und weiß eine Menge zu berichten. Die Zeiten haben sich seit der Wende sehr geändert. Heute reicht es nicht mehr, nur zur Schule zu gehen und zu studieren, um eine Arbeit zu bekommen. Heute ist es anders. Man spürt einen nostalgischen Unterton bei Roswitha, die sich manchmal richtig aufregt. Noch einmal höre ich, dass es sehr schwer ist, in der Region Arbeit zu finden. Viele junge Leute gehen weg oder arbeiten für 400 Euro im Monat (Minijob), wie mir Liana erklärt.

Aber bei meinen Gastgebern ist der Nachwuchs mit der kleinen Ronja, die ständig um Hilfe beim Herumspringen bittet, gesichert. Drei Generationen unter einem Dach in Harmonie und guter Laune (1, 2). Liana, die junge Mutter, kann es sich nicht anders vorstellen: Sie ist auch mit ihren Großeltern im gleichen Haus aufgewachsen und möchte am Austausch der Generationen festhalten.

Zum Frühstück ist auch der Papa da. Er muss erst am Nachmittag zur Arbeit. Rene ist Zollbeamter. Mit seinen Kollegen fährt er im deutschen Teil der Region Streife, um Autos zu kontrollieren und den Schmuggel einzudämmen. Oft finden sie Zigaretten, die aus Russland kommen. Und das wird wohl auch selbst nach Polens Beitritt zum Schengener Abkommen so weitergehen.

Rene nimmt sich auch die Zeit, mir die Geschichte des Dorfes zu erzählen. Am nächsten Tag las ich in der Lausitzer Rundschau, dass ich es mit dem Bürgermeister von Groß Bademeusel zu tun hatte. Er erzählte, dass sich die Gemeinde vor langer Zeit auf der anderen Seite der Neiße befand. Dann haben sich die Bewohner entschieden, das Dorf auf diese Seite “umziehen” zu lassen, um Überschwemmungen aus dem Weg zu gehen. Ein Zufall der Natur also, dass sich die Gemeinde heute auf der deutschen Seite befindet…



Jul
26
Einsortiert unter (Allgemein) von traduction.allemand am 26.07.2007

Seht Ihr mich schon, mit meinem Zweirad auf der Autobahn? Also bitte, ein bisschen gesunden Menschenverstand! Ich musste mir doch nur etwas einfallen lassen, um diesen komischen Grenzposten überqueren zu können.

Stellt Euch das vor: Die polnische Seite: Ich radle friedlich vor mich hin auf der Straße, im Schatten des Tannenwaldes. Nicht mal eine Katze. Endlich ein wenig Ruhe, um nochmal an all die Geschichten, die ich auf meinem Weg erlebt und gesammelt habe, zu denken. Je mehr ich mich der Grenze nähere, desto spärlicher werden die Bäume und desto zahlreicher die Tankstellen. Ich fühle mich ein wenig einsam zwischen all den Lastwagen. Aber der eigentliche Haken ist eher der Grenzübergang.

Die deutsche Seite: Die Straße wird zur Autobahn. Es ist wirklich absurd. Ein riesiges Hindernis für Fußgänger und Fahrradfahrer, die an dieser Stelle gebeten werden, sich (zu Fuß oder mit dem Rad) zum nächsten Grenzposten, zwanzig Kilometer weiter nördlich (Forst) oder weiter südlich (Bad Muskau/ Łeknica), zu begeben. Und das, obwohl ich doch der Empfehlung von Eva und Aischa folgen wollte, schnellstmöglich eine Unterkunft für die Nacht zu finden….

Ich entschließe mich, mit den Grenzbeamten zu verhandeln: „Ich muss nur das nächste Dorf Klein Bademeusel erreichen, verstehen Sie, bloß zwei Kilometer… die erste Autobahnausfahrt…“ Wir finden wir einen Kompromiss: Sie kontrollieren die Ausweise der Passanten und ich suche mir derweil einen freundlichen Chauffeur. Schließlich steige ich in einen polnischen Transporter, der nach Deutschland fährt, das Fahrrad im Kofferraum und ich auf dem Beifahrersitz. Ein junges, sehr nettes Paar, das mich innerhalb von zwei Minuten mit den regionalen sauren Gurken füttert. Ausgezeichnet! Und schon bin ich in Deutschland, in Klein Bademeusel: Operation gelungen!



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